Infomatec
WKN 622 200
 
 
Artikel erschienen am: 03. September 2000
Artikel geschrieben von Richard Bauer.
 
 


Höchstkurs am 12.03.1999 mit 64 Euro Erstnotiz der Kapitalerhöhung (mit Ausschluss des Bezugsrechts): 05.02.1999 Ausgabepreis der neuen Aktien: 55,25 Euro. Kursverlust eines Zeichners der Kapitalerhöhung: um die 90 Prozent!

Immer düsterere Wolken ziehen zur Zeit über der Augsburger Infomatec AG auf, einem ehemaligen Highflyer am Neuen Markt. Nachdem das Unternehmen knapp zwei Jahre am Wachstumssegment der Deutschen Börse gelistet ist, wird es von den Anlegern aktuell regelmäßig verprügelt. Die Erstnotiz erfolgte am 8.Juli 1998 zu 27 Euro (splitbereinigt entspricht dies 5,42 Euro). Dieser Kurs wurde am vergangenen Freitag erstmals unterschritten und man beendete eine weitere katastrophale Woche mit einem Kurs von 5,30 Euro.

Betrachten wir zunächst kurz das Unternehmen: Die Infomatec AG ist nach eigenen Angaben führender Hersteller von Softwarelösungen rund um das Internet und gliedert sich in drei Bereiche auf:

- IAS (Internet Appliance Systems) bietet mit Java Network Technology (JNT) eine universell einsetzbare Softwareplattform
- GIS (Globale Informations-Systeme) ist ein Softwarehersteller für e-Business-Lösungen
- ASP (Application Service Provider) bietet Applikationen über das Internet

Das Unternehmen ist nicht nur im Software-Segment tätig, sondern auch in den Hardware-Bereich eingestiegen. Die Infomatec AG versucht, sogenannte Set-Top Boxen zu vertreiben, über die mit Hilfe eines Fernsehgerätes eine Internetverbindung hergestellt werden kann. Hier nimmt nun die Misere ihren Lauf. Am 19. Mai 1999 wurde von Infomatec bekannt gegeben, dass mit Mobilcom ein Vertrag über die Lieferung von 100.000 Geräten abgeschlossen wurde. Diese Meldung verursachte einen Kurssprung von 33 auf 41 Euro. Die Lieferung aus diesem Vertrag verzögerte sich wiederholt. Nachdem die Zeitschrift "Computerwoche" die am 19. Mai 1999 angekündigte Lieferung als Aufhänger für eine äußerst kritisch verfasste Titelstory nahm, wurde von Infomatec am 22.08.2000 eine Korrektur der damaligen Meldung bekanntgegeben - über 15 Monate nach der ersten Ad-Hoc. Laut dieser am 22.08.2000 veröffentlichten, überarbeiteten Infomatec-Meldung erfasste der Vertrag nicht 100.000, sondern lediglich 14.000 Geräte. Nach Angaben von Seiten Infomatec´s war die ursprüngliche Ad-Hoc-Meldung allerdings "ungeschickt formuliert", demnach waren 100.000 Geräte nur das Ziel der Infomatec AG, aber nicht Gegenstand des Vertrages.

Zu allem Überfluss will Mobilcom vom Vertrag zurücktreten und die angeblich unverkäuflichen Geräte nicht abnehmen. Begründet wird dies von Mobilcom durch einen technischen Defekt, welcher die Geräte funktionsuntüchtig mache. Infomatec weist jede Schuld für den technischen Defekt von sich und beschuldigt den Lieferanten der Hardware.

Am 29.08.2000 musste Infomatec seine Umsatz- und Ergebnisprognose für das Jahr 2000 revidieren. Nachdem der Mobilcom-Auftrag über 14.000 Set-Top-Boxen weggefallen ist und zudem die am 13.09.1999 angekündigte Vermarktung von weiteren 100.000 Geräten gemeinsam mit Global Wellcom dahingehend berichtigt wurde, dass diese Zahl auch nur als Ziel galt und nicht - wie vorher gemeldet - als verbindliche Größe, gab das Unternehmen bekannt, seine für 2000 gesteckten Umsatzziele von 90 bis 100 Millionen Euro (noch im April bekräftigt) nicht erreichen zu können. Daraufhin wurde die Aktie vom Handel ausgesetzt. Als neues Umsatzziel wurden rund 50 Millionen Euro angegeben.

Der zu erwartende Verlust wird sich auf 25,9 Millionen Euro erhöhen. Zudem nahm Infomatec Bezug auf eine Meldung vom 16. November 1999, in welcher über einen Auftrag der WorldWide Database Company, Tochter der Continental Networks, berichtet wurde. Nach Firmenangaben ist aus diesem Vertrag wegen Differenzen mit dem Kunden kein weiterer Umsatz zu erwarten - zu deutsch, auch dieser Vertrag ist geplatzt. Die Surfstation von Infomatec ist damit vom Wert her mit den BTX-Terminals zu vergleichen, die immer noch irgendwo in den Kellern der Deutschen Telekom verrotten.

Zusammenfassend lässt sich demnach sagen, dass der Infomatec AG drei Großaufträge geplatzt sind, die immer vollmundig angekündigt wurden. Diese drei Ad-Hoc Meldungen hat Infomatec nun berichtigt, um es nobel auszudrücken; im Volksmund könnte man genauso gut sagen, das Unternehmen hat den Anlegern Märchen erzählt, sich aber jetzt selbst, wiederum per Ad-Hoc, den Wölfen ausgeliefert.

Dies wirft zweifellos ein sehr schlechtes Licht auf das Unternehmen und die Fähigkeiten der Unternehmensleitung. Aktionäre strafen solches Totalversagen gnadenlos ab. Wenn erst einmal das Vertrauen verloren ist, wird es eine lange Zeit und großem Aufwand bedürfen, um dem Kurs wieder auf die Beine zu helfen.

Daher ist es zu empfehlen die Aktie von Infomatec vorerst zu meiden, zumal das Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel eine Geldbuße bis zu 1,53 Millionen Euro gegen Infomatec verhängen könnte. Sollte sich herausstellen, dass die Meldungen platziert wurden, um bewusst den Kurs zu manipulieren, würde sich sogar die Staatsanwaltschaft einschalten.

Nach der Ansicht von Sonia Rabussier, Analystin bei Sal. Oppenheim, hat Infomatec große strukturelle Probleme. Sie bemerkte, dass viele Analysten Infomatec gegenüber vorsichtiger geworden seien. Zwar habe das Unternehmen gute Produkte, bezüglich des Vertriebs, der Kommunikation und den Management-Strukturen gebe es jedoch große Probleme. Zudem sei es sehr schwierig, Informationen aus dem Unternehmen selbst zu erhalten.

Nachdem auch die Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre (SdK) eine Klage gegen Infomatec anstrebt, ist völlig klar, dass solch eine Aktie derzeit auch nicht als Turnaround-Spekulation geeignet ist. Die SdK will mit ihrer Anzeige speziell gegen zwei Vorstände des Unternehmens vorgehen, welche (O-Ton) "den Kurs mit geschönten Mitteilungen in die Höhe getrieben" hätten.

Infomatec-Sprecherin Rianne Biesters sagte, seit 1. Juli habe das Unternehmen ein neues operatives Management. Neben Verträgen seien frühere Ad-hoc-Mitteilungen geprüft worden. Dabei sei festgestellt worden, dass teilweise "unsauber kommuniziert" worden sei. Anhaltspunkte für Absicht gebe es nicht. "Mein Eindruck ist, dass unsorgfältig formuliert wurde", sagte sie. Das sei "sehr, sehr unerfreulich". Jetzt setze das Unternehmen auf "transparente Kommunikation". Um den Schaden zu begrenzen habe sie dafür plädiert, "die Leichen, die wir im Keller haben, bekannt zu geben". Man darf gespannt sein mit was und in welchem Zeitraum die Börsianer weiter mit Horrormeldungen versorgt werden. Inwieweit es dem neuen Management gelingt, das Ruder herumzureißen, bleibt abzuwarten. Vertrauen am Markt wird das Unternehmen sich erst mit guten Umsatz- und Ertragszahlen aufbauen müssen. Diesen schweren Weg sollte ein Investor nicht von Anfang an mitgehen.

Aufgrund der fundamental und technisch schlechten Situation der Aktie und wegen der auf ca. 136 Mio. Euro zusammengeschmolzenen Marktkapitalisierung werden kurzfristige Kursänderungen von spekulativen Erwägungen getragen. Eine seriöse Handlungsempfehlung für die im Wert bereits investierten Anleger kann es deshalb derzeit nicht geben. Tendenziell spricht vieles gegen ein längerfristiges Halten. Deshalb sollten unserer Meinung nach mögliche Kurserholungen bei gleicher Informationslage zum Ausstieg genutzt werden.

 
 
 
 

Infomatec
WKN: 622 200
liquidester Börsenplatz: Xetra
Aktueller Kurs (Frankfurt): 5,35 Euro
Kursziel (12 Monate): ---
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