SuperGen
WKN 906 575
 
 
Artikel erschienen am: 06. August 2000 [Ausgabe 8]
Artikel geschrieben von Thorsten M. Harbig.
 
 


In jüngster Zeit gab es immer wieder aufsehenerregende Meldungen über vermeintliche Durchbrüche in der Krebsforschung. Erst vor wenigen Wochen wurde berichtet, einem kanadischen Forscherteam sei mit Hilfe von modifizierten Viren ein entscheidender Durchbruch gelungen. Tatsächlich aber sind zur Zeit nur wenige überhaupt wirksame Krebsmedikamente auf dem Markt und in den nächsten fünf Jahren ist allenfalls mit einer Hand voll wirklich bahnbrechenden Neuzulassungen zu rechnen.

Das im kalifornischen San Ramon ansässige Biotechnologie-Unternehmen SuperGen, das vor allem Krebsmedikamente entwickelt und vertreibt, konnte in Fachkreisen zuletzt wiederholt auf sich aufmerksam machen, denn SuperGen hat mit Rubitecan ein Medikament entwickelt, das nicht nur vielversprechende Testergebnisse liefert, sondern auch schon unmittelbar vor der Markteinführung steht. Bauchspeicheldrüsenkrebs ist in den USA mit jährlich 29000 Fällen die vierthäufigste Todesursache und derzeit kaum behandelbar, da diese Krebsart extrem schnell wächst und auf Standardtherapien kaum anspricht. Die Standardmedikation ist Gemzar, eine Chemotherapie von Eli Lilly, die im vergangenen Jahr einen Umsatz von 455 Millionen US-$ erzielte, aber nichts an der Sterblichkeitsrate von 95 Prozent ändert und den Krankheitsverlauf nur unwesentlich verzögert. Die durchschnittliche Überlebensdauer beträgt zur Zeit nur vier bis fünf Monate ab Diagnose. Angesichts dieser Fakten sprechen für Rubitecan gleich mehrere Erkenntnisse, die im Laufe der klinischen Tests gewonnen wurden: Bei etwa einem Drittel aller Patienten bildete sich der Krebs zurück, bei einem weiteren Drittel wurde das Wachstum gestoppt; die mittlere Überlebensdauer betrug unter allen Patienten 9,1 Monate, unter denen, die auf die Behandlung ansprachen, mehr als 18 Monate. Rubitecan hat zudem im Gegensatz zu den Standardchemotherapeutika kaum Nebenwirkungen und wird einmal wöchentlich oral verabreicht. Zur Zeit führt SuperGen eine Vergleichsstudie von Rubitecan und Gemzar durch, die - vorausgesetzt, die bisherigen Erkenntnisse bestätigen sich - SuperGen einen deutlichen Wettbewerbsvorteil verschaffen sollte. SuperGen erwartet die Zulassung für das kommende Frühjahr und kalkuliert mit einem Quartalsumsatz von 129 Millionen US-$.

Vielversprechend verliefen auch erste Tests im Zusammenhang mit mehr als dreißig weiteren Krebsarten, bei denen die Wirksamkeit von Rubitecan zweifelsfrei nachgewiesen werden konnte. Auch in Kombination mit anderen Medikamten oder Bestrahlungen wurden aussichtsreiche Ergebnisse erzielt. Fachleute gehen davon aus, daß SuperGen für Rubitecan in den kommenden Jahren weitere Zulassungen erhalten könnte - insbesondere zur Behandlung von Lungenkrebs - was einen Jahresumsatz im Milliardenbereich bedeuten würde.

Ein anderes Medikament ist bereits zugelassen und wird weltweit durch Abbott vertrieben: Nipent dient zur Behandlung einer eher seltenen Leukämieform und generiert bescheidene Umsätze. Ähnlich wie Rubitecan wird auch Nipent im Zusammenhang mit weiteren Indikationen getestet; die klinischen Tests befinden sich zur Zeit in Phase II (gegen rheumatische Arthritis, immunologische Sekundärreaktionen und eine bestimmte Form von Lymphknotenvergrößerungen) bzw. Phase III (gegen zwei weitere Formen von Lymphomen). Vervollständigt wird die Pipeline durch Phase-II-Medikamente gegen Anämie (RF 1010) sowie Fettleibigkeit und Diabetes (RF 1051).

Ein weiteres Standbein von SuperGen ist die Entwicklung sogenannter Generika. (Ein Generikum ist ein Arzneimittel, das einem bereits auf dem Markt befindlichen, als Markenzeichen eingetragenen Präparat gleicht und in der Regel billiger angeboten wird.) SuperGen hat sich auch hier auf die Onkologie spezialisiert und will schon bald mit Hilfe der Extra-Technologieplattform eine Reihe von gängigen Chemotherapeutika herstellen, die in der Regel in Pulverform vertrieben werden und vom behandelnden Arzt in die Infusionslösung eingemischt werden müssen. Nach der Zubereitung muß die Lösung zügig aufgebraucht werden. SuperGen plant, mit Hilfe der Extra-Technologie gebrauchsfertige Infusionslösungen herzustellen, die lange gelagert werden können und außerdem einen weiteren erheblichen Vorteil bieten: Da die meisten Krebsmedikamente starke Zellgifte sind, die intravenös gespritzt werden müssen, wird bei der Injektion häufig unbeteiligtes, gesundes Gewebe geschädigt; mitunter sind anschließend sogar chirurgische Eingriffe erforderlich. Die Extra-Technologie umschließe dagegen das eigentliche Medikament und gebe es erst im Körper des Patienten frei. In vorklinischen Studien blieben die unerwünschten Gewebeschäden laut SuperGen erwartungsgemäß aus. Zur Zeit wird an der Veredelung sechs gängiger Chemotherapeutika gearbeitet. Darunter befindet sich auch der Blockbuster Taxol von Bristol-Myers Squibb, der dieses Jahr bereits einen Umsatz von 1,5 Milliarden US-$ weltweit generieren soll. Weil der Generika-Markt stark umkämpft ist und die Margen in der Regel sehr klein sind, kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt über die weitere Entwicklung dieses Geschäftsfeldes aber allenfalls spekuliert werden. Wir sehen hier jedoch eine sinnvolle Ergänzung des Produktportfolios, die die Ambitionen SuperGens in der Onkologie nachhaltig unterstreicht.

Von existentieller Bedeutung für SuperGen ist die Kooperation mit Abbott, einem der zehn größten Pharmakonzerne. Abbott vermarktet Nipent und Rubitecan weltweit und wird Meilensteinzahlungen in Höhe von 150 Millionen $ leisten. Im Gegenzug erhielt der Pharmagigant eine Option, bis zu 49 Prozent von SuperGen zu einem Vorzugspreis zu erwerben. Die Option kann bis zum 31. März 2003 ausgeübt werden; der Vorzugspreis wurde auf 85 US-$ je Aktie festgelegt. Die Beteiligung von Abbott könnte somit von derzeit 30 bis 40 Millionen auf 2 Milliarden US-$ anwachsen.

Die Kursentwicklung von SuperGen blieb zuletzt deutlich hinter den Erwartungen zurück. Wiederholt wurden Analystenschätzungen für den Gewinn pro Aktie in 2001 nach unten korrigiert, wofür im wesentlichen zwei Gründe zu nennen sind. Zum einen blieb der Absatz von Nipent leicht hinter den Erwartungen zurück. Zum anderen wurden die Ausgaben für Forschung und Entwicklung im ersten Quartal 2000 auf 6,3 Millionen US-$ mehr als verdoppelt, woraus sich auch der Nettoverlust von 7,5 Millionen US-$ bzw. Verlust je Aktie von 27 Cents erklärt. Die Gewinnschwelle wird nach jüngsten Analystenschätzungen im letzten Quartal 2001 erreicht werden. Das Unternehmen verfügt derzeit über Barreserven von mehr als 140 Millionen US-$.

Alles in allem stellt SuperGen ein hochinteressantes Investment im Bereich der Onkologie dar, das vielen Mitbewerbern fundamental einen Schritt voraus ist. Zwar ist auch Rubitecan nicht das Krebsheilmittel, nach dem seit Jahrzehnten erfolglos gesucht wird, doch die bislang bekanntgewordenen Resultate lassen den Schluß zu, daß SuperGen mit Nipent und vor allem Rubitecan zwei der wirksamsten Krebsmedikamente vertreiben wird, die in den nächsten vier bis sieben Jahren überhaupt verfügbar sein werden. Denn erfahrungsgemäß schaffen mehr als 90 Prozent aller Medikamente, die Phase III der klinischen Tests erfolgreich absolvieren, auch den Sprung auf den Markt. So gesehen bietet SuperGen bei geringem Risiko ausgezeichnete Chancen. Im Vergleich mit anderen Medikamentenentwicklern wie zum Beispiel Celgene, Cephalon und Vertex sticht außerdem die niedrige Marktkapitalisierung von rund 950 Millionen US-$ bei gleichzeitig höheren Umsatzschätzungen für die kommenden Jahre ins Auge. Die Tatsache, daß Abbott bei Ausübung der Option einen Preis von 85 US-$ je Aktie zahlen wird und dies in eigenen Pressemeldungen als Vorzugspreis bezeichnet, sollte ebenfalls zu denken geben.

 
 
 
 

SuperGen
WKN: 906 575
liquidester Börsenplatz: Nasdaq
Aktueller Kurs: 29,25 US$
Kursziel (06 Monate): 45,00 US$
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