ACG
WKN 500 770
 
 
Interview erschienen am: 10. Oktober 2000 [...]
 
 


Markus Solibieda, Finanzvorstand (CFO) der Wiesbadener ACG AG, stand Leon Müller im nachfolgenden Interview stets freundlich gegenüber.

Trading Division: Beschreiben Sie doch bitte einmal im Groben das Geschäftsfeld der ACG, die Produkte und Dienstleistungen.

Markus Solibieda: Die ACG AG versteht sich als High-Tech-Broker für Halbleiterprodukte. In dem Geschäftsfeld Chipkarten lassen wir weltweit Chipkarten produzieren und vertreiben diese global an unsere Kunden. Darüber hinaus liefern wir Chips und Module an leistungsfähige und innovative Chipkartenhersteller. ACG hat sich insbesondere auf die beiden Produktbereiche GSM-Karten und kontaktlose Karten spezialisiert. Im Bereich Chipbrokerage tritt die ACG als Dienstleister für große OEM-Kunden auf. Die ACG beschafft zum einen elektronische Bauteile in Engpasssituationen und zum anderen übernimmt die ACG die Vermarktung von Überbeständen dieser Art.

Trading Division: Was hat es mit dem Projekt "Brokerage goes Internet" auf sich?

Markus Solibieda: Die ACG ist bereits heute eine herstellerunabhängige Plattform, bei der Angebot und Nachfrage des Chipkarten- und Halbleitermarktes aufeinander treffen. Die ACG nutzt die Vorteile des Internets, um ihr Brokeragemodell noch effizienter und geographisch unabhängiger umzusetzen. Mit dem vertikalen Chipkartenportal hat sich die ACG als der Marktplatz für die Branche etabliert. Die ACG verfolgt den gleichen Anspruch mit ihren Portal im Bereich des Chipbrokerage.

Trading Division: Inwiefern wird dieses Unterfangen Auswirkungen auf die weitere Entwicklung der ACG haben?

Markus Solibieda: Wir erwarten, dass bis Ende 2003 mehr als die Hälfte unseres Umsatz über das Medium Internet generiert und abgewickelt wird. Damit wird sich einerseits die Reichweite und unserer Vertriebsaktivitäten erhöhen.

Trading Division: Wie läuft der Handel über ACG ab, wenn beispielsweise ein Kunde Smart Cards benötigt, weil seine Lager leer sind?

Markus Solibieda: Im Bereich Chipbrokerage greift die ACG im ersten Schritt auf bestehende Bestände zurück. Sind die Bauteile nicht auf Lager, wird die Anfrage an das gesamte Lieferantennetzwerk weitergegeben. Im Bereich Smart Cards verfügen wir über keine Lager. Hier liefern wir über unser gesamtes Netzwerk Just in Time.

Trading Division: In der Kundenliste finden sich hauptsächlich europäische Unternehmen. Auf dem Weltmarkt spielen aber vor allem die fernöstlichen und amerikanischen Chip-Hersteller eine große Rolle. Wie sehen Sie die globale Perspektive Ihres Unternehmens?

Markus Solibieda: Die großen internationalen Hersteller wie Infineon, Philips, Motorola, STM oder Hitachi sind unsere Lieferanten. Allein durch diese Kooperationen zeigt sich das große Potential der ACG. Des weiteren sind wir an 24 internationalen Standorten vertreten, wodurch wir direkt vor Ort mit unseren Kunden verhandeln und die Märkte bedienen können. Dieses Netzwerk wird zukünftig durch weitere Kooperationen und Akquisitionen verstärkt.

Trading Division: Nun kommen wir zu den Produkten der ACG. Welche Vorteile bieten die Smart Cards? Und wo sind die Anwendungsgebiete anzutreffen?

Markus Solibieda: Der Vorteil von Smart Cards ist, dass die ACG entlang der gesamten Wertschöpfungskette, das heißt von den Bauteilen (Chip, Module, Karten) bis zum Endprodukt (Smart Cards, Memory Cards), brokert. Smart Cards selbst sind handlich, leicht zu transportieren, sehr sicher in Bezug auf Datenübertragung und erfüllen vorgegebene Standards. Anwendungsgebiete für diese Karten sind Kommunikation, mobile Kommunikation, elektronische Fahrscheine, Identifikation, Zutrittskontrolle, Zahlungsverkehr, Gesundheitswesen sowie E-Commerce.

Trading Division: Dataquest hat vor kurzem eine Studie veröffentlicht, die besagt, dass das weltweite Volumen im Jahr 2004 in diesem Bereich 8 Mrd. US-Dollar betragen wird. Wie wird ACG von dieser Entwicklung profitieren? Und wieviel wird das vor kurzem akquirierte US-Unternehmen MGI dazu beitragen?

Markus Solibieda: Die ACG wird natürlich von dieser Entwicklung des Smart Card-Markts profitieren und ihren Weltmarktanteil durch nachhaltiges Wachstum weiter ausbauen. Im Bereich der kontaktlosen Technologien sind wir bereits Marktführer. Das US-Unternehmen MGI wird zu diesem Bereich nichts beitragen, da es sich hierbei um einen reinen Chipbroker handelt.

Trading Division: Was können Sie zu Contactless Technologies RFID sagen? Worum geht es genau und wo liegen hier die Anwendungsbereiche?

Markus Solibieda: Kontaktlose Chipkarten und Tags basieren auf Transpondern (hochleistungsfähige Codespeicher auf kleinstem Raum), welche völlig wartungsfrei sind und eine hohe Lebensdauer vorweisen. Durch die unterschiedlichste Bauformen ergeben sich vielfältige Anwendungsmöglichkeiten dieser RFID-Technologien (Radio Frequency Identification). Zentrale Anwendungen dieser Produkte sind zum Beispiel kontaktlose Chipkarten zur Identifikation und Zutrittskontrolle oder Labels im Bereich Transportdienstleistungen und Logistik.

Trading Division: Dann wären noch die Halbleiter zu erwähnen, was können Sie unseren Lesern dazu sagen? Welche Aspekte gestalten diesen Bereich für ACG so interessant?

Markus Solibieda: Im Bereich Engpassmanagement ist die ACG als Sofortlieferant von Chips an Chipbenutzer wie OEMs tätig, soweit diese Kunden Bauteile zum Erreichen ihrer Produktionsziele brauchen. In solchen Fällen arbeitet die ACG mit ihrem Netz an Lieferanten zusammen, um zu ermitteln, ob diese Lieferanten dem dringenden Bedarf der Kunden gerecht werden können. Im Überbestandsmanagement übernimmt die ACG überschüssige Lagerbestände an Chips von regelmäßigen Chipbenutzern auf Kommissionsbasis. Über das Kundennetz erfolgt schließlich eine Lokalisierung von Käufern für die überschüssigen Lagerbestände. Alle nicht verkauften Posten werden zurückgegeben oder recycled. Zusätzlich bezieht die ACG einen Teil ihres Umsatzes aus Brokerageleistungen für CPUs und Produkte für die Computertechnik, die neben der Chip-Brokerage angeboten werden.

Trading Division: Wie sieht es mit dem Cashbestand der ACG AG aus? Und welche Verwendung wird dieses Geld finden? Sind weitere Akquisitionen in Planung oder soll weiter in das bestehende Netz aus übernommenen Unternehmen investiert werden, um intern noch stärker zu werden und die Gewinne weiter wachsen zu lassen?

Markus Solibieda: Der Cahsbestand der ACG betrug zum 31. Juni diesen Jahres 76, 2 Millionen Euro. Die M&A-Aktivitäten der ACG sind neben der organischen Entwicklung der Geschäftsbereiche Smartcard-Brokerage und Chip-Brokerage ein wesentlicher Entwicklungspfad für das Unternehmen, der auch zukünftig verfolgt wird. Wir zahlen für die Unternehmen maximal 20% in Cash, den Rest in Aktien.

Trading Division: Stehen Übernahmen in Osteuropa an? Falls ja, können Sie schon Namen nennen? Falls nicht, wohin möchte man sonst expandieren?

Markus Solibieda: In Osteuropa stehen keine Akquisitionen an. Wir werden stärker in Asien, USA, Südamerika oder Skandinavien expandieren.

Trading Division: Mit der Beteiligung an der Bluefish Technologies AG aus Paderborn hat man eine weitere Produktionslücke geschlossen. Das Unternehmen ist spezialisiert auf den GSM Markt. Was jedoch bedeutet die baldige Einführung von UMTS und mit welchen Erwartungen hat man diese Firma akquiriert?

Markus Solibieda: Von der Einführung von UMTS wird die ACG sicherlich profitieren. Dieser Markt birgt ein großes Potential. Infineon hat bereits den ersten Chip für Mobilfunkgeräte entwickelt, der in den bestehenden GSM-, aber auch in den künftigen UMTS-Netzen funktioniert. Das Team aus Gesellschaftern und Management der Bluefish zählt seit über 12 Jahren und mit einer kumulierten Erfahrung von über 100 Branchenjahren zu den Pionieren und Industrie-Experten des Smart Card-Markts - insbesondere in der Telekommunikation. Zusätzlich hat dieses Team Kontakte zu wichtigen Kunden im wachstumsstarken GSM-Markt, die sich auch mit Einführung von UMTS auszahlen werden.

Trading Division: Was hat es mit der Gründung der OMNIKEY AG auf sich? Was verspricht man sich von diesem Joint-Venture, welches zusammen mit der Utimaco Safeware AG gegründet wurde?

Markus Solibieda: Es wurden Firmen im Bereich der Smartcard-Leser und -terminals sowie kontaktloser Technologie (RFID) zur OMNIKEY AG vereint. Durch den Zusammenschluß der drei neuen ACG-Beteiligungen (MicroDatec GmbH, Kronegger und Celectronic GmbH) und der Integration des Smartcard-Leser-Geschäftes der Utimaco entstand einer der leistungsfähigsten Hersteller im Bereich Smartcardlese- und Identifikationssysteme. Dies ist eine wichtige Ergänzung im Portfolio der ACG AG.

Trading Division: Für dieses Jahr war der Börsengang einer Beteiligung geplant, handelt es sich dabei um die OMNIKEY AG?

Markus Solibieda: Der erste IPO ist für das Frühjahr 2001 geplant.

Trading Division: Im ersten Quartal diesen Jahres wurde eine Kapitalerhöhung durchgeführt. Sind weitere derartige Aktionen in Planung?

Markus Solibieda: Nicht in den nächsten 6 Monaten.

Trading Division: Steht in absehbarer Zeit ein Zweitlisting an der Nasdaq an? Dies wäre schließlich eine gute Möglichkeit auch die Aufmerksamkeit der Amerikaner auf ACG zu lenken. Welche Möglichkeiten sehen Sie sonst den Bekanntheitsgrad der ACG in der "Neuen Welt" zu steigern?

Markus Solibieda: Ein Zweitlisting an der NASDAQ ist nicht geplant. Jedoch sind ADR's (American Depositary Receipts) angedacht, welche primär als Akquisitionswährung dienen werden.

Trading Division: Für das laufende Jahr wurden die Planzahlen auf 225 Millionen Euro angehoben. Wird man diesen Umsatz tatsächlich erreichen und wieviel haben die Halbjahreszahlen bereits dazu beitragen können? Wie sieht es zudem mit dem Wachstum in Zukunft aus, wird man die enorm hohen Steigerungsraten halten können? Analysten haben für das nächste Jahr bereits einen Umsatz jenseits der 300 Millionen Euro Grenze prognostiziert. Wie steht ACG dazu? Und beeinflussen die für die Chip-Branche üblichen zyklischen Schwankungen die Bilanz der ACG?

Markus Solibieda: Unsere neuen Planzahlen für 2000 werden wir mit Bekanntgabe der Zahlen für das 3. Quartal oder mit der nächsten anstehenden Akquisition bekannt geben. Ein Ziel der ACG ist eine nachhaltiges Umsatzwachstum von über 50%. Da die ACG sowohl auf der Beschaffungs- als auch auf der Nachfrageseite tätig ist, sind wir von den zyklische Schwankungen in der Chip-Branche weitgehend unabhängig.

Trading Division: Kommen wir nun zu den Kunden der ACG. Können Sie vielleicht ein paar Namen nennen?

Markus Solibieda: Im Bereich Chipbrokerage sind dies zum Beispiel Siemens, Alcatel, Nokia, Motorola, Philips, Acer oder Hewlett Packard. Im Bereich Smart Cards sind internationale Betreiber im Bereich Telekommunikation (z.B. Telekom Griechenland) und öffentlicher Personennahverkehr (z.B. SPTrans Sao Paolo) große Kunden der ACG.

Trading Division: Und von den Kunden zu den Konkurrenten. Wie ist der Markt im Bereich Chipbrokerage aufgeteilt?

Markus Solibieda: Dieser Markt ist stark fragmentiert und durch wenige Player, die insbesondere in den USA ansässig sind, gekennzeichnet. In Europa sind in diesem Bereich nur die ACG und CE Consumer Electronics zu nennen.

Trading Division: Es gibt im Smart Card Bereich keinen einheitlichen Standard. Was halten Sie daher von Microsofts "Windows for Smartcards"?

Markus Solibieda: Diese Anwendung ist zukunftsweisend und birgt ein hohes Potential für die ACG, denn sie unterstützt die weltweite Verbreitung von Smart Cards. Proprietäre Betriebssysteme der früheren Marktführer (bspw. Gemplus, Oberthur oder Schlumberger) werden hierdurch überflüssig.

Trading Division: Der Kursverlauf der letzten Monate war alles andere als zufriedenstellend. Dennoch haben zahlreiche bekannte und einflussreiche Investmentbanken ACG in ihre Kartei aufgenommen und begleiten das Unternehmen nun. Sie alle haben ein positives Statement zu ACG abgeliefert und Kursziele im Bereich von 95 Euro ausgesprochen. Wo sehen Sie den fairen Wert des Unternehmens?

Markus Solibieda: Das enorme Marktpotenzial und die Positionierung der ACG sind die Basis für eine positive Entwicklung Auch wir sind in Bezug auf das Kurssteigerungspotential zuversichtlich, da unsere Fundamentaldaten stimmen, unser Vertriebs-Forecast gut aussieht und wir in den strategischen Marktsegmenten richtig aufgestellt sind.

Trading Division: Wir bedanken uns bei Markus Solibieda, dem CFO des Unternehmens, für das hochinformative Interview.

Das Interview führte Leon Müller.